Bericht 100 Jahre Susanowo

von Johann Kehler

Der lang geplanten Reise nach Russland ging, eine ganze Serie von Beratungen, Chorproben und selbstverständlich Gebeten, voraus. Selbst das Susanowotreffen im Mai stand unter dem Motto „100 Jahre Susanowo“. Am 16. Juli fand in Augustdorf die letzte Chorprobe statt. Die Gastgeber Anna & David Hildebrand bewirteten alle angereisten Susanower mit leckerem Mittagessen. Es waren 30 Sänger und einige andere Mitreisenden zugegen. Auch der Dirigent Johann Peters und seine Frau Lisa war kurzfristig dazugekommen. Sie nahmen noch an der letzten Chorprobe teil. Vor der Probe teilte Johann noch mit, wie es dazu gekommen war, dass er jetzt doch mitfährt.

Am nächsten Tag, den 17.07.2011, reisten Klaus mit Lisa und David Dick nach Susanowo, um vor Ort letzte Vorbereitungen zu treffen. Sie staunten nicht schlecht als sie das Bethaus mit Gerüst verbaut sahen. Der Giebel sollte lackiert werden. Drinnen sollten die Bänke und sämtliche Holzflächen braun und grau angestrichen werden. Weil das Gerüst viel zu simpel und unsicher war, halfen David und Claus es auseinander zu bauen und bestellten in Samara auf unsere Kosten ein kleines stabiles 6 Meter hohes Gerüst aus Metall.
Hier vor Ort wurde eine gewaltige nie gewesene Kosmetik des Dorfes vorgenommen. Einwohner wurden aufgefordert, die Häuser und Grundstücke sauberzumachen, Gras zu entfernen, Giebel zu färben etc. Selbst die Straßen wurden mit Schotter aufgefüllt. Eine Einwohnerin drückte es so aus: „Allein deswegen hat es sich schon gelohnt, dass Ihr gekommen seid.“
Die gesamte Gruppe war in einige kleine Gruppen geteilt, die getrennt nach Russland flogen. Unsere Gruppe sammelte sich in Detmold beim Gemeindehaus. Von hier fuhren wir mit zwei Bullis nach Düsseldorf. Kurz nach unserem Eintreffen am Flughafen kamen auch die Nümbrechter. Wir waren froh, dass alle rechtzeitig da waren. Weil wir elektronische Tickets hatten, mussten wir die Tickets einscannen. Bei mir war im Ticket der Name nicht korrekt geschrieben, deshalb funktionierte es nicht. Eine Mitarbeiterin machte die Eingaben nach vielen Versuchen händisch. Um 7.30 Uhr hob unser Flieger, die Boeing ab, und flog Richtung Moskau. Nach 3 Stunden und 20 Minuten landeten wir in der russischen Hauptstadt. Bei der Passkontrolle kamen wir im Vergleich zu den früheren Reisen relativ schnell vorbei. Als wir in den großen Wartesaal kamen, standen dort viele Menschen mit Schildern.

Auf einem Schild stand „Сузаново“. Es waren zwei Schwestern aus der Moskauer Gemeinde, die Claus engagiert hatte, weil unser Aufenthalt in Moskau 10 Stunden dauerte. Zum Glück durfte man hier bis zu 32 Stunden vor dem Flug seine Koffer abgeben und einchecken. Unsere 24-köpfige Gruppe teilte sich. Der Schreiber dieser Zeilen und noch vier Personen blieben im Flughafen, alle anderen fuhren mit den zwei Schwestern nach Moskau, um eine Kreuzfahrt entlang der Moskwareka (Moskau Fluss) zu machen.
Wir warteten im Flughafen stundenlang auf die anderen, zuletzt scherzte ich noch: „Ich muss alleine fliegen, ich habe nicht so viel Geld, um morgen ein neues Ticket zu kaufen.“ Tauschte 20 Euro ein, bekam dafür 746 Rubel und kaufte mir für 130 Rubel eine 0,33 l Flasche Mineralwasser, weil mein Wasser im Koffer geblieben war. Trank das Wasser und ging dann alleine durch die Passkontrolle und weiter bis zum Gate 37.

Als es fast 19.00 Uhr war und ich immer noch allein am Gate stand, wurde ich unruhig. Plötzlich tauchten Johann und Lisa Peters und einige andere auf. Nichts ahnend fragte ich: „Na, ihr habt euch aber euch richtig Zeit gelassen.“ Daraufhin erwiderte Johann: „Weißt du noch nichts?“ – Nein. „Johann Grunau ist gestorben, Peter Grunau und Willi Dick sind dort geblieben.“ Mir ging ein Schauer über den Rücken. Noch vor kurzer Zeit hatten wir mit ihm gesprochen und jetzt soll er tot sein?

Schon unterwegs hatte sich Johann beschwert über Schmerzen in der Brust. Als er mit der Gruppe in den Regionalzug stieg, wies seine Frau Margarethe ihn auf einen Platz neben sich und sagte: „Hier ist Luft.“ Dann ging er, ohne ein Wort zu sagen in den Tambur (Windfang). Er kam bald wieder und sagte: „Solche Schmerzen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehabt.“ Kurz darauf kam die Schaffnerin, Johann gab ihr noch selber die Fahrkarten. Nach der Kontrolle nahm Margarethe die Fahrkarten von der Schaffnerin zu sich. Dann berührte Johann die Schaffnerin leise und sagte: „Pomogite“ (Helfe Sie mir bitte). Dann sagte Margarete: „Geben sie ihm doch etwas fürs Herz.“ Worauf die Schaffnerin erwiderte: „Ich habe nur Ammoniak und Walidol.“ Darnach gab Margarethe die Tablette ihrem Mann in den Mund. Als sie ihm noch Wasser anbot, reagierte er darauf nicht. Dann tränkte sie das Tuch mit Wasser und legte es ihm auf die Stirn. Es schien so, als ob es ihm angenehm ist. Aber dann sackte er plötzlich in sich zusammen und fiel bewusstlos an Margarethe rann.
Tina Janzen, eine Schwester aus der Gruppe, übernahm den Fall. Sie machte intensive Herzmassage. Nach einigen Minuten gelang es ihr, den Puls herzustellen. Johann atmete wieder, aber nach weiteren Minuten kam Blut aus seinem Mund. Bis zur Ankunft in Domodedowo ca. 40 Minuten gab Tina sich Mühe, aber ihm konnte nicht mehr geholfen werden. Die Ärzte im Rettungswagen, der zum Zug beim Aussteigen der Gruppe kam, konnten auch nur den Tod feststellen.
Margarethe, die Ehefrau von Johann, Peter Grunau und Willi Dick mit Ehefrauen blieben bei dem Verstorbenem, die anderen mussten sich beeilen, um den Flieger nicht zu verpassen.
Um 19.55 Uhr hoben wir mit der russischen Maschine TU – 154 ab. In zwei Stunden waren wir in Orenburg, der Gebietsstadt. Es ist eine noch relativ junge Stadt. Sie wurde erst vor 263 Jahren gegründet. Hier war es + 18 °C, nicht so heiß wie in Moskau. Mit zwei Bullis und einem PKW wartete Claus schon auf uns. Den PKW brauchten wir nicht mehr, weil 6 Passagieren fehlten. Eine gut ausgebaute Straße ermöglichte es uns, schnell zu unserem Ziel zu gelangen. Nach einigen Kilometern, noch innerhalb der Stadt Orenburg, hielt uns die Polizei an. Zum Glück war bei uns alles in Ordnung, sodass wir kurze Zeit später weiter Richtung Susanowo rollten.
Bei Koslowka nahm Claus eine Abkürzung, ab hier ging es über Stock und Stein, über bekannte „unbekannte“ nächtliche Felder und Steppen zu unserem Ziel. Gelegentlich huschte ein Erdhase vor unseren Scheinwerfern vorbei. Um 1.30 Uhr deutscher Zeit, hielten wir vor dem Bethaus an. Wir hatten das Ziel erreicht, wir waren in Susanowo angekommen. Alle, die nicht bei Bekannten oder Verwandten übernachteten, bekamen eine Unterkunft entweder in der Sonntagsschule, oder bei Claus und Liese, oder in der Sowjetskaja Straße. Die Männer, die ohne Ehefrauen gekommen waren, wohnten im Keller des Bethauses.

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Am nächsten Morgen erfrischt und ausgeschlafen, begaben einige sich in die Küche und Essenszelt, wo die Schwester Olga aus Orenburg, eine Köchin mit offizieller Zulassung, (damit die Gäste sich ja nicht durch die Ernährungsumstellung eine Vergiftung holten) beschäftigt war. Nach dem Frühstück machten sich Paul L. und Gerhard P. an den Motorrad „Ural“ und tüftelten an ihm herum. David Dick nahm den Zement für das Denkmal vom Ältesten aus Nowosergiewka in Empfang, den der gerade vorbeigebracht hatte. Der Jura hatte auf Bestellung auch neue Kerzen für den „Ural“ gebracht. Ja, wir brauchen alle Transportmittel. Mittag aßen wir im großen Militärzelt. Es gab Borsch und Makkaroni mit Frikadellen. Nach dem Mittagessen füllten einige Schwestern Formulare aus für unsere Anmeldung.
Nachmittag war Ruhe. Um 17.00 Uhr, eine Stunde vor der offiziellen Gebetsstunde, versammelten sich alle aus Deutschland gekommene Gäste im Gebetshaus. Wir müssen und wollen den Tod von Johann Grunau selbst verarbeiten, und uns von Gott Trost holen. Claus Dick berichtete über die aktuelle Lage, über Einzelheiten in der Botschaft. Er bleibt telefonisch mit Peter Grunau verbunden. Es war eine sehr bewegende Gebetsstunde. Johann Grunau freute sich ganz besonders auf das Wiedersehen mit der Heimat, er wusste aber nicht, dass er die Heimat oben beim Herrn sehen wird. Bin ich, sind wir bereit, zu solcher „Verwechslung“?
Zur Gebetsstunde kam Sascha Djomkin und noch 6 Einheimische, von uns waren 25 Personen. Sascha leitete die Gebetsstunde. David Dick sprach über Hiob 42. Hiob sollte beten für seine Freunde, obwohl er als Betroffener im Staube lag. Obwohl Johann gestorben ist, ist es Gottes Wille, dass wir hier sind. So zwiespältig sah unsere Lage im Moment wirklich auch aus. Ich las aus Hebr. 13,14-15. Ja wir freuen uns hier in unserer Heimat, auf dem Fest zu sein, aber der Tod von Johann macht uns wieder klar, dass unsere richtige Heimat im Himmel ist.
Es kamen noch Peter und Margaritha Wiebe dazu, die einen Abstecher nach Samara zu ihren Freunden gemacht hatten. Claus begab sich nach Orenburg um die letzten Anreisenden zu begegnen und blieb mit ihnen im Hotel zur Nacht. Es ist günstiger als einen Transport zu bezahlen. Morgen wollten wir alle nach Orenburg zum Gottesdienst fahren.

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Sonntag. Aufstehen um 5.40 Uhr. Um 9.00 Uhr kamen wir im Gebetshaus an.
Wer wollte, konnte noch frühstücken. Wir begrüßten einige Geschwister, die schon früh gekommen waren. 10.00 Uhr begann der Gottesdienst. Wir wurden vorgestellt als Gäste aus Deutschland und ehemalige Susanower. Rita Kreker (Janzen) und Anna Wiebe (Rempel) als ehemalige Mitglieder der Orenburger Gemeinde wurden vom Ältesten Viktor Fjodorow persönlich begrüßt. Claus Dick moderierte den Gottesdienst.
Die erste Predigt kam von Johann Schelenberg. Sein Text lautete: „Welcher ist aber nun ein treuer und kluger Knecht, den der Herr gesetzt hat über sein Gesinde, dass er ihnen zu rechter Zeit Speise gebe? Selig ist der Knecht, wenn sein Herr kommt und findet ihn also tun. Matt 24,45-46. Er betonte die Verantwortung und Treue unserem Herrn gegenüber. Die zweite Botschaft kam von Johann Kehler. Sein Text: 1.Mose 26,17-33. Es ging um Isaak, der immer wieder um des Friedens Wille neue Brunnen grub. Aber erst als er vom Namen des Herrn predigte und einen Altar baute, merkten die Philister, dass Gott mit ihm ist und ihn segnet. Demzufolge wollten sie mit ihm einen Bund machen. Zum Schluss überreichte Claus der Gemeinde noch ein Buch von der 100-jährigen Geschichte Susanowos, eine russische CD und Kugelschreiber.
Nach dem Gottesdienst gab es im Kellergeschoss des Bethauses noch Essen. Nach dem Mittag ging es zunächst zum Einkaufen in die Innenstadt und auf den Bazar. Einige suchten Souvenirs, die andere auf Bestellung der Küche, Wassermelonen und Brot. Noch andere besuchten ihre Bekannten. Es war sehr schwül, man musste immer wieder trinken. Als wieder alle zusammen waren, fuhren wir in die Зауральная роща (Birkenhain am Fluss Ural). Einem Ort des Trauerns und der Besinnung.
Hier am asiatischen Ufer des Flusses Ural wurden sterbliche Überreste von den Erschossenen im Jahre 1937 entdeckt. Heute hängt hier fast an jedem Baum ein Schild, eine Tafel oder ein Kreuz, das Verwandte aufgestellt haben. Es liegt sehr nahe, da auch unsere Susanower, insgesamt 13 an der Zahl, irgendwo hier, ihre letzte irdische Ruhe gefunden haben. Aus diesem Grund wurde letztes Jahr von unseren Geschwistern in diesem Wald eine Bronzetafel aufgestellt mit den Nahmen der Erschossenen. Hier erinnerten wir uns an unsere Großväter und sangen das Lied „Näher mein Gott zu dir“ in Russisch. Anschließend betete David Dick noch mit uns. In einiger Entfernung beim Parkplatz steht ein vom Staat errichtetes Denkmal. Die Gedenkstätte bildet ein großer Haufen aus rauen Steinen. Oben an der Spitze ein Kreuz und ein moslemischer Halbmond. Unten ein Schild zur Erinnerung an die Gefallene Opfer der Stalinzeit und eine Reihe von Kerzenhalter. An den Wachsüberresten konnte man sehen, dass manch einer hier an dieser Gedenkstätte eine Kerze angezündet hat. Hier sangen wir das deutsche Lied „Wenn wir vollendet am Throne Gottes steh’n. “ Nach dem Lied wurde ich gebeten zu beten, was ich auch tat. Halb sechs wurde Johann Schelenberg hier vom Denkmal  nach Tülgan abgeholt. Dort unterstützt die Gemeinde Detmold Heidenoldendorf die Missionsarbeit. 20.45 Uhr kamen wir wieder in Susanowo an. Der andere Bulli hatte Motorprobleme und kam eine Stunde später.

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Montag, war die Friedhofsbesuche geplant. Jeder konnte die Gräber seiner Verwandten oder anderen besuchen, dort überm Grab sich besinnen und… Gras entfernen. Eheleute Hildebrandt begaben sich zum Waldstreifen, um Johannisbeeren zu pflücken für die Limonade. Paul Löwen, Andreas Neufeld und ich hatten eine Fahrt nach den Nummerdörfern geplant. Als unser Taxifahrer aus Pokrowka kam, ging es los über Semljanka und Perwolotzk in die Nummerndörfer. Ich besuchte Antonina Sergejewna, meine Lehrerin und Ehefrau von meinem Cousin Jakob Tissen. Sie ist gesundheitlich sehr angeschlagen und abgemagert, ich hätte diese alte Dame im Hausmantel, aufs äußerste abgemagert und ohne Zähne, auf der Straße nicht erkannt. Sie wohnt mit ihrem Sohn Andrej und zwei Enkel. Die Frau von Andreij ist vor zwei Jahren verstorben, er selbst arbeitet im hohen Norden und ist kaum zu Hause. Andreas Neufeld schenkte ihr einige Fotos vom Besuch 2005, als sie noch selber nach Nowosergijewka anreiste, um die Susanower zu sehen. Ihr war es peinlich, dass sie letztes Jahr David Dick nicht erkannt hatte.
Daraufhin überreichte ich ihr das Geschenk von ihrer Tochter Walja und das Buch von David Dick zum 100-jährigen Jubiläum, mit einer Widmung. Darauf riss sie ihre Augen groß auf und sagte: „Was, David hat ein Buch geschrieben? Wahrscheinlich hat ihm jemand geholfen.“ Es schien ihr unwahrscheinlich, dass David, der nicht unbedingt der Klassenbeste war, ein Buch schreiben konnte. Wir sprachen noch eine Weile. Sie musste sich bald hinlegen, das kurze Gespräch hatte sie erschöpft. Als wir zu zweit blieben, sagte sie: „Ich habe vor kurzem einen orthodoxen Geistlichen in mein Haus bestellt und Beichte abgelegt. Ich habe auch gefragt, ob es falsch war eine Freikirche (Baptisten/Mennoniten) zu besuchen. Ich sagte zu ihm: „diese Menschen lieben die Bibel, sie trinken nicht Wodka, gehen nicht fremd, sie erziehen die Kinder richtig.“ Der Batjuschka beruhigte sie: „Du gehst in die richtige Kirche, es ist schon in Ordnung“. Sie hatte zum Batjuschka gesagt: „Auch die Ikone hängt bei mir nicht da wo sie hingehört in die „rote“ Ecke, sondern an der Wand vor meinem Bett. Aber dort in der Ecke steht der Fernseher, und ich weiß dann nicht welches Bild ich anbeten soll, das im Fernseher oder die Ikone“.
Nach kurzer Pause sagte sie: „Welche Närrin bin ich gewesen, dass ich nicht damals schon in Susanowo euren Glauben angenommen habe, ja, man muss glauben und gute Werke tun.“ Ich hatte den Eindruck eine gläubige Seele vor mir zu haben, und musste spontan an Apg. 10, 34-35. denken „Nun erfahre ich mit der Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.“ Nach kurzem Gespräch blieb sie liegen und wir gingen in die Küche, aßen dort noch zu Mittag, das Andrej zubereitet hatte.

Auf dem Rückweg nach Perwolotzk, zeigte uns Paul Löven die Ausfahrt „Родник“ also „Quelle“ zwischen Abramowka und Wlasowka. Es war die historische Quelle wo in der Zeit der Kollektivierung russische und deutsche „Kulaken“ (wohlhabende Bauer) verschleppt wurden, um sie hier sterben zu lassen.
Sie buddelten sich Löcher in der Umgebung, um eine Unterkunft zu haben. Sie tranken alle aus dieser Quelle und ernährten sich von dem, was sie auf den Feldern fanden. Bis zum Frühling war kein Russe am Leben, von den Deutschen dagegen, war keiner gestorben…
Heute ist die Quelle mit einem Betonring ausgebaut, mit Tisch und Bänken zum Rast machen ausgestattet. Ich ließ eine Flasche volllaufen, doch bevor ich dieses köstliche kalte Wasser trank, goss ich die Hälfte auf einen Stein, als Gedenk- und Dankopfer an die Mennoniten, die hier gelitten haben, und für die anderen, die ihr Leben hier lassen mussten. Von hier holte, richtiger gesagt stahl, der Lehrer meines Vaters, Abram Teichrib, seine Braut Lisa und brachte sie nach Susanowo.
In Susanowo angekommen, sahen wir, dass Viktor Rjagusow, der „Пастор наставник“ aus Samara mit noch einem Bruder gekommen war. Wir setzten uns mit Claus und David und den einheimischen Brüdern zusammen, um die nächsten Tage zu planen. Kurz vor dem Abendessen kamen zwei Mitarbeiter von der Firma „Subarew“ mit einem LKW aus Samara, sie brachten das Denkmal. Bis zum Abend hatte David das Material für das Fundament des Denkmals (Zement und Kies) herbeigeschafft. Abends, wie auch jeden Abend, saßen die meisten im Kreis vor dem Zelt, wo wir die Mahlzeiten einnahmen, und sangen russische Lieder. Ich sang nicht, weil meine Stimme mir Probleme machte. Nach einer Weile fragte ich die Singenden, ob Interesse besteht, wenn ich ein Kapitel laut vorlese. Sie nickten. Ich las aus meinen Memoiren das Kapitel „Ein Brief an Stalin“ vor. Weil alle meine Oma noch kannten, war es für viele recht amüsant vielleicht, auch interessant. Nach dem Lesen wollten manche das Blatt haben. Lisa, die Frau von Klaus, machte einige Kopien und verteilte sie später.

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Am nächsten Tag, am Dienstag, hatten wir Morgengottesdienst wie jeden Tag. Mein Text war aus Ps 121,1-2. Bruder Maxim sprach über den Jordanübergang des Volkes Israel. Viktor Rjagusow, aus Samara begann seine Predigtreihe über den Jakobusbrief. Am Tag war es wieder +40 °C, aber es musste noch einiges gemacht werden. Einige Schwestern wollten ein Schild mit Fotos von früher für das Fest anfertigen. Sie baten um Hilfe. Es wurden vier Titel vorgeschlagen. 1) Alltag des Dorfes, 2) Gemeinde ist Gottes „Erfindung“, 3) Schule (Spr 22,6), und 4) Kolchose (1.Mose 3,19). Rita Kreker schrieb die Titel mit großen Buchstaben auf die große Tafel. Am Vormittag fuhren einige nach Nowosergejewka einkaufen. Ich fuhr mit, um bei meiner Cousine Elvira Link hereinzuschauen. Sie war sehr froh, mich zu sehen. Wir unterhielten uns und ihre Tochter Olga kochte zu Mittag Brennnesselsuppe. Von ihr rief ich noch Hugo und Alfred in Tscheljabinsk an, und bat sie mich am nächsten Montag vom Bahnhof abzuholen. Mein Zug 510, Wagon 17. Als wir zurück kamen, bekamen wir noch Reste vom Mittag. Nach der Brennnesselsuppe konnte ich noch einiges verdrücken. Abends, wie auch jeden Abend, wurden Sonnenblumenkörner geknackt, die von Peter Kehler gespendet wurden und gesungen bis in die Nacht.

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Am Mittwoch setzte Bruder Rjagusow fort mit Jakobus 2. Danach ging jeder seinen Aufgaben nach. Halb drei kam Bruder Subarew aus Samara. Er kam nicht allein, sondern mit seiner Ehefrau und die Frau von Viktor Rjagusow. Im Bulli hatte er noch 20 Bibeln, welche für als Geschenke an die Behörden gedacht waren, und das bereits bestellte 6 Meter hohe, zerlegte Gerüst für die Gemeinde. Wir halfen es auszuladen. Die Hitze +40 °C machte jede Arbeit sehr schwierig, im Sinne von erhöhtem Blutdruck, persönlicher Hygiene und Kleidungswahl. Während der Mahlzeit las ich den Text der Beileidmail an Margarethe Grunau, die Kinder und die Gemeinde vor. Den Text hatten Johann Schelenberg und ich zusammengestellt. Alle willigten ein, den Text rüberzuschicken. Hier ist der Text:

Zum Abend war an diesem Tag in Chutorka eine „Begegnung mit Susanowo Einwohnern“ geplant. Entsprechende Plakate wurden ausgehängt. Wir fuhren etwas früher, weil wir noch in die Schule und im Museum reinschauen wollten. Dort wurden wir erwartet und freundlich begrüßt, sogar ein Gruppenfoto am Eingang wurde gemacht. Im Museum waren viele interessante Gegenstände, auch aus deutschen Häusern zu sehen. Mein Cousin Hugo Peters war da auch auf Fotos zu finden, auch seine Briefe, die ich sofort an seiner Handschrift erkannte.
Plötzlich stand ich im „roten Zimmer“, wie ich es sofort bei mir nannte. Es war ein Zimmer mit roten Fahnen, Leninbildern, rote Wimpel und Pionierschalstücher. Ausgerechnet in diesem Zimmer, das damals ein Schlafzimmer der Internatskinder war, erkannte Anna Wiebe (geb. Rempel), ihren Bekehrungsort. Damals, es war am 22. Januar 1971, teilte sie sich hier mit noch 7 Mädchen dieses Zimmer. Sie war damals 13 Jahre alt und ging in die 5. Klasse. Sie war mit noch zwei deutschen Mädchen, mit Tina Schwarz und Anna Janzen in einem Zimmer. Tina erzählte, wie sie beim Schweinehüten von einer Sau, die gerade Ferkel hatte, angegriffen worden war. Gott aber hatte sie auf wunderbare Weise beschützt.
Die konkrete Hilfe und Bewahrung Gottes, ging Anna dermaßen zu Herzen, dass sie und die anderen zwei Mädchen auf die Knie gingen. Die russischen Mädchen schliefen, und in diesem Gebet übergab Anna ihr Herz Jesus. Trotz der großen Aufregung schliefen danach alle ruhig ein. Am nächsten Tag, überwältigt von großer Freude und Liebe zu allen Menschen, lud sie ihre Lehrerin ins Zimmer ein und bat um Vergebung. Diese wunderte sich sehr über diese Veränderung ihrer Schülerin. Am nächsten Tag bekehrte sich ein anderes Mädchen im anderen Zimmer…
Eine andere Schwester, Maria Klassen (geb. Hildebrandt), erinnerte sich auch an ihre Bekehrung. Es war im selben Jahr 1971. Sie war gerade mal 14 Jahre alt und war hier in Chutorka im Internat untergebracht. Von Zuhause hatte sie nicht so viel vom Glauben mitbekommen. Der Vater war zwar ein gutmütiger Gläubiger, aber ein schweigsamer Mann. Er hatte eine gute Gewohnheit. Jeden Sonntag versammelte er die Kinder und betete mit ihnen. Dies war ein gutes Fundament zur Bekehrung. Im Internat war Maria mit zwei Russinnen und zwei Deutschen in einem Zimmer. Mit Maria Block und Helene Dück, und Lisa Friesen, die sich schon mit 12 bekehrt hatte, haben sie sich oft abends oder nachts, biblische Geschichten erzählt und über Gott gesprochen. An einem Abend berührte Gott ihr Herz so sehr, dass sie sich bekehren konnte. Trotz lautem Beten, wurde keiner von den anderen Mädchen wach. Nächsten Morgen bat Maria die Erzieherin um Vergebung, um volle Freiheit ihrer Seele zu bekommen. Am Wochenende, als sie nach Hause durfte, erzählte Maria der Mutter unter Tränen von ihrer Bekehrung, und bat um Vergebung. Später hat sie nie an der Echtheit ihrer Bekehrung gezweifelt, das ist bis heute so geblieben. Wenn man die Mädchen nachher im Zimmer beim Stricken oder Häkeln erwischte, wurden sie ausgeschimpft und ins Kino geschickt. Wenn sie dann ein anderes Mal gedrängt wurden ins Kino zu gehen, haben sie sich unterm Bett versteckt oder wenn es warm war, in den Wald gegangen, und sich mit anderen Bekehrten getroffen und Gemeinschaft gehabt. Total unwissend, was die Lehre angeht, kam sie nach der 8. Klasse zum ersten Mal in den Gottesdienst. Die Lehre der Bibel musste sie nach und nach erst lernen. Aber es war der richtige Weg mit einem guten Lehrer, mit dem Hirten Jesus Christus.
Im „ Клуб“ in Chutorka war kein besonderer Andrang, aber immerhin 40 – 50 Leute saßen im Saal. Als es endlich soweit war, kam der „Gensek“ Michailow auf die Bühne und begrüßte uns sehr herzlich. Weiter übernahm Claus Dick die Moderation. Er erinnerte daran, dass hier in diesem Gebäude, der Chor zum 1000-jährigen Jubiläum des Christentums in Russland schon mal gesungen hatte. Heute sind wir wieder hier, zwar etwas älter geworden, zum 100-Jubiläum von unserem Heimatdorf Susanowo. Der Chor sang die bekannten Lieder, dann wurde gesagt, dass ich über die Geschichte berichten werde. Ich erinnerte die Zuhörer daran, dass vor genau 50 Jahren mein Vater hier in Chutorka bestraft wurde, und für fünf Jahre nach Sibirien verschleppt wurde. Laut Ps,103,1-2 darf ich aber dem Herrn loben, dass er uns Gutes getan hat. Das Gute zieht sich durch das ganze Leben und der ganzen bewegenden Mennonitengeschichte. Viktor Rjagusow stellte den Zuhörer drei Schritte vor, die der Schächer am Kreuz getan hatte. Zunächst Reue, dann Bekehrung und dann Vertrauen, Hingabe. Leider machen die meisten Menschen die ersten zwei Schritte, sagte er, und den dritten „vergessen“ sie. Er ermutigte die Menschen im Vertrauen zu Gott zu handeln und zu leben. Nach jedem Beitrag sang der Chor ein Lied, ein Lied kam sogar vom Männerchor. Klaus lud zum Schluss noch alle ein zum Fest nach Susanowo zu kommen. In Susanowo gab es in unserem Zelt vor dem Schlaf noch Tee, obwohl es 00.55 Uhr war.

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Am Donnerstag hatten Johann Dick und ich Küchendienst. Wir pumpten die Duschkanister voll in beiden Duschen und heizten die „Banja“, weil die Gitarristen „Новая жизнь“ nachts um 2 Uhr gekommen waren und baden wollten. Im Zelt gab es auch einiges zu tun. Es wurde gerne angepackt. Wie gerne zeigte mir ein Gespräch der Frauen im Zelt beim Geschirrhabwaschen, das ich ungewollt mithören musste: „Wann werden wir noch einmal in dieser Runde arbeiten?“ Eine andere meinte dazu: „Wahrscheinlich erst in der Ewigkeit.“ Der Gedanke, dass wir auch im Himmel Geschirr spülen werden, war mir allerdings neu. Nach dem Frühstück, in der Morgenandacht sangen und spielten zunächst die Gitarristen, dann setzte V. Rjagusow seine Reihe fort mit Jak. 4,8-9. Ja, er hat Recht, eine tiefe Wunde kann man nicht mit einem Pflaster heilen, es bedarf einer gründlichen Behandlung. Nachmittags kam Jakob Ens zu unserem Zelt und bat uns für ihre Gemeinde zu beten. Es war sehr unerwartet, solches zu hören. Die Beziehungen waren bis jetzt zu dieser Gemeinde eher kühl.
Um 17.40 Uhr gab es einen kräftigen Platzregen, der so wohltuend wirkte nach der Hitze, die uns ziemlich fertig gemacht hatte. Ich stand an der Banja, das Dach stand fast einen Meter über, aber meine Füße wurden bis zum Knie nass. Danach fuhren wir alle zum Fluss, zu der Stelle, wo das Kinderlager immer campt. Es sollte dieses Mal Schaschlik geben.

Hier war vom Regen keine Spur. Viktor Rjagusow sagte: „Früher sagten wir zum Spaß: „Внимание, Внимание, говорит Германия“.  Hier könnt ihr Deutschland im Ernst hören. Es war Peter Grunau. Das Handy auf laut gestellt, hörten wir, dass er uns Gottes Segen wünschte und über die morgen stattfindende Beerdigung von Johann Grunau berichtete. Vor dem Essen teilte Klaus mit, dass er vor den Behörden heute gekämpft habe um mehr Zeit für uns.
Frau Pluschnowa aus der Kreisverwaltung habe gesagt, es ist heiß, es geht nicht länger als drei Minuten, die Menschen in der Hitze zu schmoren. Worauf Klaus erwiderte: „Es ist unser Fest, von Anfang an haben wir es geplant, wir sind mit einer großen Gruppe angereist von soweit und jetzt kriegen wir nur drei Minuten. Außerdem wird es keine Hitze geben, es wird regnen, wir haben gebetet darum. (Bis jetzt war jeden Tag +40 °C). Nach anderthalb Stunden kam ein Platzregen über Susanowo und nur über Susanowo, die Temperatur sank auf +20 °C.

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Am nächsten Tag, also am Freitag, war es nicht mehr +40 °C, wie bis jetzt, sondern nur +20 °C. In der Morgenandacht setzte Bruder Rjagusow fort mit seiner Jakobusreihe. Die Gitarristen gaben am Vormittag auf dem Markt in Nowosergijewka ein Konzert. Am Tag kam der Vorsteher der Verwaltung aus Chutorka, Michailow, zu Klaus und ermahnte ihn, dass es eine Schande sei, dass in einem Haus (ehemals Peter Rempel), ausgerechnet wo die Ausländer wohnen (einige von unsrer Gruppe), Unkraut wächst. Darauf gingen Peter Wiebe, Johann Peters und Waldemar Ens hin, nahmen Werkzeug und entfernten das Gras rund ums Haus. Wir lachten herzlich über diese „schlimme“ Sache.
Nachmittags fuhren wir mit der Gruppe „Новая Жизнь“ nach Kuwaj. Dort stellte die „Sawklubom“ gerade die Stühle draußen vor dem „Klub“ auf. Leider kamen nur um die 10 Personen. Nicht einmal die vorbeigehenden Jugendlichen zeigten Interesse. Darauf angesprochen, meinten sie: „Wir gehen lieber baden.“ Zum Schluss ergriff der Vorsteher der Verwaltung des Ortes das Wort. Er sagte: „Ich habe zwei Sachen verstanden, wovon ihr gesungen habt, erstens die Liebe zu Menschen und die Liebe zu Gott, und es ist wirklich wichtig, dass wir beides haben.“ Er bedankte sich für den Besuch. Weil es dort kein Bedarf an Seelsorgegespräch gab, hielten wir mit Maxim uns auch nicht länger dort auf und fuhren mit den anderen nach Chutorka, wo um 22.00 Uhr das nächste Konzert geplant war. Vor dem Haus von Nadja Butkejewitsch, einer gläubigen behinderten Schwester, wurde eine Plane ausgebreitet, Strom wurde auch bei ihr angezapft. Als wir die vorbeigehenden Menschen einladen wollten, sagten sie: „Wir sind doch schon zum Konzert gekommen.“

Hier war eine ganz andere Atmosphäre. Wir liefen noch zum „Klub“ in 150 Meter Entfernung und holten Bänke und Stühle. Einige kamen mit eigenen Stühlen. Die Zuhörer und es waren viele, saßen gegenüber an der anderen Straßenseite. Nach jedem Lied wurde mit Begeisterung applaudiert. Nach einigen Liedern wurden Blumen nach vorne gebracht für die Musikanten. Es war schon halb zwölf als das Konzert zu Ende war. Nach dem Schluss wurden noch CD zum Verkauf angeboten. Die Sekretärin vom „Gensek“ sprang fast hoch: „Jetzt kann ich bei mir zu Hause diese Musik anmachen und hören, das ist toll.“ Möge Gott diese Aussaht für die Ewigkeit segnen.

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Endlich kam der große Tag, der Samstag. Die Einladungen zum Fest wurden schon vorher im ganzen Dorf an jedes Haus verteilt, mit der Bemerkung, dass es um 10.00 Uhr beginnt, nicht um 11.00, wie es in der Einladung steht. In der Zeitung stand am nächsten Tag, es war von selbst so gekommen, das die Leute zu dem Denkmal sich versammelt hatten. Rechtzeitig um 9.30 Uhr waren wir schon bei der Schule. Das erste, was mir auffiel, war der Wassertankwagen, der entlang der Molotschnaja Wasser spritzte. So was hatte es noch nie gegeben! Kurz darauf kam die Polizei, ja die heißt jetzt auch in Russland so, wie bei uns, Polizei. Der Rettungswagen fehlte auch nicht. Beim Denkmal wurde schon das Mikro ausprobiert und der rote Teppich vorm Denkmal ausgerollt. Die Kameraleute, d.h. das Fernsehteam und Reporter platzierten sich auch ganz vorne. Einige Hundert Menschen füllten den ganzen Platz der T-Kreuzung.
Als es 10.00 Uhr war, sprach die Frau Pluschnowa aus der Kreisverwaltung ein Grußwort, dann der „Gensek“ Michailow. Der hob es hervor, dass die Gäste aus Deutschland nicht auf die Kosten geschaut, und ganze 160 Tausend Rubel in das Denkmal investiert haben. Darnach kam David Dick mit einem kleinen Jungen nach vorne.
Der feierliche Augenblick war gekommen. Die beiden, ein Alter und ein Junger, zwei Generationen also, entfernten das weise Tuch und enthüllten den in der Sonne funkelnden Gedenkstein. Jetzt konnten alle ihn sehen und lesen: „Der Herr wird sein Volk … segnen mit Frieden.“ Ps 29,11, in Russisch und Deutsch. Es ist eine Verheißung und ein Trost für alle, die sich auf Gott einlassen.
Das wollten wir den Menschen sagen: „Kommt zu Gott, werdet sein Volk, er gibt seinem Volk Frieden.“ Dieser Stein steht nicht für unseren Ehrgeiz, sondern zur Ehre Gottes, zum Trost für diejenigen die Gott bereits kennen, und ein Hoffnungsstrahl für die, welche zu Gottes Volk gehören werden. In der Mitte des Steins sieht man das Bild eines Mannes mit einem Pferdegespann und einem Pflug. Unten, den aus alten Zeiten bekannten mennonitischen Spruch in Russisch: „Die beste Waffe auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld“. Ganz unten „Zum 100-jährigen Jubiläum. Von den dankbaren Nachkommen.“ Hier am Denkmal sagte David Dick noch ein Zeugnis und Geleitwort an die Einwohner von Susanowo. So klingt der genauere Wortlaut seiner Rede: „Liebe Landsleute! Wir sind euch sehr dankbar für eure Gastfreundlichkeit und herzliche Aufnahme. Wir sind zu euch gekommen, um zusammen mit euch, den Allerhöchsten anzubeten und dafür zu danken, dass Er 100 Jahre diese Stätte, unser Susanowo gesegnet hat! Hier sind wir aufgewachsen, hier haben gearbeitet, viel Freude aber auch Leid erlebt, sind unsere Väter begraben. Hier stand einmal unsere Wiege… In unserem Gedächtnis sind viele teure Erinnerungen geblieben. Für uns ist es alles Vergangenheit, aber es ist uns teuer, weil es unsere Geschichte ist. Und Ihr, die ihr jetzt hier lebt, seid in die Geschichte Susanowos eingetreten und setzt sie fort. In Angedenken aller Ereignissen, die in den vergangenen 100 Jahren von der ersten Furche des Gründers bis zu unserer Auswanderung, haben wir, ehemalige Susanower, uns am 21. Mai dieses Jahres 2011 versammelt, um Den anzubeten und Dem zu danken, der alles Wohl gibt.
Wir hatten den Wunsch einen Stein, ein Denkmal zum 100-jährigen Bestehen Susanowos, als Symbol für Dauerhaftigkeit und Gottesanbetung aufzurichten. Wir wollten es in Russisch und in Deutsch sehen. Möchte der Bibelvers: „Der Herr segnet sein Volk mit Frieden…“ eingemeißelt im Stein, euch daran erinnern, dass wir, die wir früher hier lebten, Gebrauch gemacht haben von diesem Wohl. Aber merkt auch, dass diese Worte in die Zukunft gerichtet sind. Der Arm Gottes möchte euch und eure Nachkommen segnen. Und das Pferdegespann mit dem Pflüger symbolisieren die harte friedliche Arbeit – Voraussetzung für das tägliche Brot. Der Pflüger in der Furche war schon seit Jahrhunderten ein Symbol unserer Vorfahren, die sich bewusst von der Waffe lossagten, um mit friedlicher Arbeit das Leben zu bereichern. Bei der Idee diesen Stein aufzustellen, dachten wir an den alten biblischen Patriarchen Jakob, der es in 1.Mose 28,16. so ausdrückt: „Gewiss ist der Herr an diesem Ort…!“ In seiner Begeisterung macht er eine Entdeckung, dass Gott auf jeden Ort ist, wo sein Name angerufen wird. Beeindruckt von dieser Entdeckung nimmt Jakob einen Stein, richtet ihn auf zu einem Denkmal und gießt Öl drauf. 1. Buch der Bibel 28,18. Bewegt und geführt durch diesen Gedanken, dass der Herr hier in Susanowo gegenwärtig ist, sind wir hergekommen, um das Öl der Dankgebete hier vor Gott auszuschütten. Und euch, unseren Landsleuten, wünschen wir Wohlergehen und Frieden. Suchet den, von dem alles Gute auf Erden und im Himmel kommt. Wir möchten euch bezeugen dass „Also hat Gott die Welt geliebt das er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass, alle die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“. Joh 3,16.
Nach der Rede machte David folgende Überbrückung zum Lied „Чудный чертог“, das der zusammengestellte Chor aus Deutschen, Einheimischen und Amerikanern anschließend sang. Er sagte:
„Liebe Landsleute, heute haben wir zusammen, die 100-jährige Weiche gestellt, aber unser Leben geht weiter. Das Leben eines Menschen wird oft mit einem stürmischen Meer verglichen, deshalb habe ich unsere Sänger gebeten, ein für unsere Steppen ungewöhnliches Lied zu singen, vom stürmischen Meer. Von dem rettenden Boot, das uns von Gott gegeben ist, das uns in den wunderbaren herrlichen Hafen, zum himmlischen Schloss, bringen wird.“ Nach dem Lied überreichte David den Text seiner Rede an die Direktorin der Schule.

Als Nächster wurde ich zum Mikro gebeten. Ich sagte, dass die Geschichte von Susanowo untrennbar vom christlichen Glauben zu verstehen ist. Dass die Geschichte Susanowo aus der Mennonitengeschichte entspringt, und ihre Wurzeln bis zu Menno Simons Bekehrung reichen, fügte einige historische Fakten aus dem Leben unserer Vorfahren hinzu. Als ich fast fertig war, kam Frau Pluschnowa zu mir und flüsterte mir ins Ohr, dass ich kürzer sprechen soll, weil es zu heiß ist für die Leute. Ich nickte, weil ich sowieso fast fertig war. Nach drei Sätzen lud ich alle, die Interesse an der Mennonitengeschichte haben, zum Seminar im Bethaus um 20.00 Uhr ein. Zum Abschluss sang der Chor: „Хвалите Творца“. In dieser Zeit gingen alle Gäste zum angrenzenden Schulhof.
Unterwegs sprach mich der „Gensek“ an. Er sagte zu der Geste, dass ich unterbrochen wurde: „Wissen Sie, es gibt verschiedene Leute, nehmen Sie es nicht so schwer“. Ich sagte, dass ich mein Leben lang mit Menschen arbeite und Verständnis dafür habe. Dann wollte er wissen, ob ich Professor für Geschichte bin. Ich musste ihn enttäuschen, ich interessiere mich nur für Geschichte, Professor bin ich leider nicht. Im Schulhof tobte und dröhnte bereits übermäßig laute weltliche Musik aus den Boxen. Vorne befand sich eine Bühne mit blauer Planmuschel. Im Hof hatten unsere Schwestern einen Stand aufgebaut. Hier wurde kostenlos Tee, frische Waffeln, Piroschki mit Kartoffel und Weißkohl, und Rollkuchen, die unmittelbar am Stand, im Feldkessel mit offenem Feuer frittiert wurden, angeboten.

In der Mitte des Hofs stand unsere Tafel, hier waren zu jeder Zeit viele Menschen. Unser Lehrer Alexander Iwanowitsch Welkin begrüßte mich sehr herzlich, als ob es nicht 50 Jahre Trennung gegeben hätte. Einige Klassenkameraden so wie Nina Popowa, Tamara Strekalowa, Raja Schulymowa durfte ich auch begrüßen. Solche Begegnungen, hatte, glaube ich, jeder aus unserer Gruppe. Als es fast 12 Uhr war (nach 2 Stunden vom Beginn), sagte der Moderator plötzlich: „Jetzt beginnen wir mit unserem Fest.“ Ich war perplex, dachte im ersten Moment, er hätte einen Sonnenstich bekommen, aber als ich nach vorne schaute, sah ich dem Gouverneur Juri Berg, einen Generaloberst und einen Abgeordneten für Kultur, beide aus der Duma (Russisches Parlament), sowie ihr Gefolge eintreten. Ach ja, Russland, Russland, wie Fjodor Tüttschew, ein russischer Dichter einst sagte: „Умом Россию не понять, аршином точным не измерить, у ней особенная стать, в Россию можно только верить“ „Mit dem Verstand kann man Russland nicht verstehen, auch mit der genauen Elle kann man sie nicht ermessen, sie hat ihre besondere Gestalt, an Russland kann man nur noch glauben.“

Die Herrschaften wurden von Frauen in Tracht, nach altem russischem Brauch, mit Brot und Salz begrüßt. Noch lange ging die Musik, die Tanzgruppen wechselten sich, bis der nächste Teil mit Ehrungen durch Urkunden und Geschenke vermeldet wurde. Unter anderem durfte auch Klaus jetzt seinen 3-minütigen Beitrag auf der Bühne loswerden. Er betonte, dass Susanowo ein Ort von großer Bedeutung sei. Von hier kamen hervorragende Leute, so wie Doktor Johann Köhn, Consulting für Energieversorgung und Umweltschutz und Ehrenprofessor der polytechnischen Universität in Samara, Jakob Rempel, der in Deutschland seine Zahnarztpraxis hat und andere. Außerdem kommen Menschen aus Susanowo, die jetzt in 10 Ländern der Welt das Evangelium weiter tragen, so wie in Mexiko, Brasilien, Afghanistan, Afrika und anderen Ländern. Der Grund dafür ist das Gebet unseres Gründers, der um Segen, Wohlergehen und einen Zufluchtsort gebetet hat.

Nach einer kurzen Rede des Gouverneurs, in der er betonte, dass das friedliche Miteinander wichtig ist umso mehr, dass heute in Susanowo 17 Nationen leben, so wie Russen, Ukrainer, Tataren, Kasachen, Deutsche und sogar ein Lesgin. Es hielten auch die anderen Leute aus der Duma (Russlands Staatsparlament) ein Grußwort die Versammlung.

Danach traten die hohen Herren gefolgt vom Kamerateam bald ab. Sie besichtigten noch das Denkmal, den Medpunkt (Erste Hilfe Klinik), Klub, die Firma Kehler, das Privathaus von David & Helene Dick und das Bethaus. Dort fragte der Generaloberst aus dem Gefolge des Gouverneurs, ob die Gemeinde abnimmt oder Zuwachs hat. Claus konnte ihm sagen: „Ja, letztes Jahr haben sie sechs jugendliche Seelen getauft und in die örtliche Gemeinde aufgenommen. „Das ist gut, dass Jugendliche zur Kirche kommen“ – meinte der General.

Am Ende der Veranstaltung durfte auch die christliche Gitarristenband „Новая жизнь“ aus Kiev einige Lieder singen. Darauf meinten einige: „Endlich wird gesungen nicht geschrien.“ Nach dem Lied „Sirka na s´chodi“ sagte einer der uniformierten Kosaken, die gerade selber auf der Bühne gesungen hatten: „Das ist doch das Unsrige, das ist unser Lied.“ Nachmittags wurde im Klub ein Film über die Kolchose gezeigt. Er war ziemlich langatmig, aber da kamen auch einige Susanower vor.

Um 20.00 Uhr begann ich den Vortrag über unsere Mennonitengeschichte. Es kamen doch mehr als ich gedacht hatte. Auch A.I. Welkin mit Sohn Sergej waren dabei. Nachher unterhielten David und ich uns noch lange mit ihm.
Um 23.00 Uhr sahen wir noch im Bethaus einen Film von V. Rjagusow, der in kürze im Samarischen TV ausgestrahlt wird, über sein Leben. Nach dem Film sagte der Superintendant Br. Birjukow, es sollte ein Film von Rjagusow sein, aber daraus ist ein Film von den Baptisten geworden. Genau das war auch die Absicht der Brüder in Samara, dass der Name des HERRN ins Gespräch kommt. Ich denke, dass Bruder Rjagusow stark genug ist, diese Probe auf Demut zu bestehen.

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Der Sonntag brach mit Sonne und Wonne ein. Während des Frühstücks überreichte Klaus unserer Köchin Sweta, die uns während der ganzen Zeit treu gedient hatte, eine Flasche mit Sonnenblumenöl, hergestellt in Susanowo, ein Stück geräucherten Speck, auch ein Erzeugnis aus Susanowo, ein Souvenir und einen Briefumschlag mit einem „Dankesbrief“, wie er sagte, den sie zu Hause lesen dürfe. Übrigens, jeder Gast aus Deutschland bekam von dem Unternehmer Peter Kehler eine Flasche Sonnenblumenöl geschenkt.

Von allen Seiten kamen Geschwister und Gäste zum Bethaus. Noch nie war das Bethaus so voll gewesen, seit die Deutschen weg sind. Immerhin 600 Personen waren zum Fest gekommen, der Balkon war aber nicht besetzt. Es waren Gäste aus USA, Deutschland, St. Petersburg, Ufa, Samara, Orsk, Busuluk, Orenburg, Schdanowka, Rodnitschnije, Kubanka, Stepanowka, Pretoria, Donskoje, Pokrowka, Nowosergiewka, Tülgan, Krasnodar, Chutorka, Krasnocholm, Woronesch, Sosnowyj Bor, Tschapajew, Novosibirsk.

Sascha Djomkin, der Ältester der Gemeinde, begrüßte alle Gäste mit Ps 124. „Wenn der Herr nicht bei uns wäre…“ Alles begann mit einem Gebet, sagte er. Wir sangen alle: „O großer Gott.“ Dann begrüßte uns der Chor mit dem Lied „Мир вам“. David Dick las aus dem Ps 121,1 vor. Vor 100 Jahren betete der Gründer Susanowos und hob seine Augen zum Himmel, heute tut es sein Urenkel. Gut, wenn wir wissen, in welchem Zug wir sitzen und wohin wir steuern. Nicht so wie es in einem Lehrbuch stand, dass wir in einem Zug sitzen, der keine Bremse, und keinen Plan hat, wohin er fährt. Danach wurde ich zur Kanzel gebeten. Mein Text kam aus Josua 4,20-24. „Wenn eure Kinder hernach ihre Väter fragen werden und sagen: „Was sollen diese Steine? So sollt ihrs ihnen sagen…“ Ja, so wie damals in Israel war, soll es auch mit dem Stein von Susanowo sein. Er soll noch lange ein Zeugnis sein, auch dann, wenn wir für immer schweigen, dass des Herrn Hand, mächtig ist, sein Volk zu segnen und zu führen. Der Chor sang „Велики и чудны дела твои“. Allgemeiner Gesang – „Если в бурях жизни“. Der Chor sang ein einziges deutsches Lied: „O großer Gott, wie herrlich ist dein Werk“.
Es folgte ein Bericht mit einer Power Point Präsentation von Peter Vogel, einem Missionar aus Deutschland. Er sagte, dass in Susanowo die größte Dichte der Gläubigen im Gebiet Orenburg ist. Insgesamt sind in allen 17 Gemeinden des Gebiets 650 Gläubige. Das ist sehr wenig. Er rief alle auf, zu wirken und zu beten für die Lage in der Region. Wir Deutschen sollen diese Not in unseren Gemeinden mitteilen und beten. Der Chor sang: „Пусть Господь благодатью своей“. Es wird Spende eingesammelt und das Lied gesungen: „Честно преданно послушно“. Bruder Maxim betet über die Spende.
Bruder Rjagusow baute seine Botschaft auf Grund 1.Joh 2,1-2. Es ging um Kindschaft. Das geistliche Wachstum ist davon abhängig, wie weit wir mit dem Wesen Gottes vertraut sind, sagte er. Gott sagt nie „Nein“ zu seinem Kind, ein echtes Kind sagt nie „Nein“ zu seinem Vater. Nach dieser Botschaft sangt der Chor: „Чтобы грешников спасти“. Alle sangen stehend das Lied: „О cтранник к небу ты на пути“. Das Wort ergriff der Superintendent des Gebiets Birjukow. Er las aus 1.Petr 1,13-21. „Darum so begürtet die Lenden eures Gemütes, seid nüchtern und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi.“ Anhand verschiedener Beispiele erklärte er die Nachfolge Christi. Der Männerchor sang: „Ты стоишь на краю зеленеющей нивы“.

Es ist 12.45 Uhr, Klaus lädt alle zum gemeinsamen Mittagessen auf dem Gelände des Bethauses und der Sonntagsschule ein. Für das Essen wird hier im Gemeindehaus gedankt. Alle strömen nach draußen, wo der Geruch vom Plow weiter die Richtung vorgibt. Ich muss leider ohne Mittagessen schnell meine Sachen packen und fahren, weil ich meinem Zug nach Tscheljabinsk nicht verpassen will.

Nach dem köstlichen Essen versammelten sich alle Gäste zum zweiten Mal im Bethaus und um 14.00 Uhr begann der zweite Gottesdienst. Jetzt kamen freie Beiträge von den Gästen. Nach allgemeinem Gesang, sang der Chor „Мир вам“. Dann kamen Vorträge, kurze Grußworte, Solo oder Gruppenlieder von verschiedenen Gemeinden.

USA: Sergej Kotow,
Samara: Wolodja Subarew: „Gebet auch nicht Raum dem Lästerer.“ Eph. 4,27
Tülgan: „Der Geist und die Braut sprechen komm.“ Off. 22,17
Deutschland: Block Peter: „Die Bekehrung von Paulus“ Apg. 9
Orenburg: Gedicht: « Для чего нас Бог избрал»
Donskoje: Ps 120,7-8
Busuluk, Stepanowka: Ps 1
St. Petersburg: 1.Kor 13
Pokrowka: Hebr 12,12.

Alle die sich mit Beiträgen Beteiligten bekamen als Geschenk das Buch, „Виноградник в прекрасном месте“, zu Deutsch „Ein Weinberg an einem herrlichen Ort“.
Zum Schluss kam das Segnungsgebet. Dazu kamen 4 Brüder nach vorne. Es waren der Älteste der Susanower Gemeinde Sascha Djomkin, unser Gruppenführer Claus Dick, der Missionar Peter Vogel und Superintendent Alexander P. Birjukow. Mit erhobenen Händen beteten und segneten sie die Gemeinde und das ganze Dorf. Das war die letzte Geste, die letzte kräftige Fermate, dieses großen einmaligen Ereignisses. Der Chor bestätigte dieses Gebet mit dem Lied « Чудный чертог», „Herrlicher Palace“.

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PS: Montag reisten die meisten nach Hause. Die noch dort blieben, bauten das Zelt ab, räumten auf, brachten die Betten zurück nach Nowosergijewka. Danach waren David und Klaus in die Kreisverwaltung zum Chef der Kreisverwaltung Sergej Balykin eingeladen. Er sprach sehr wohlwollend mit ihnen. Mehr noch, er verriet sogar, dass er aus Wifanija kommt. Die Vorgeschichte. Vor vielen Jahren wanderte eine komplette Gemeinde der Molokaner aus Sibirien aus und siedelte in der kahlen Steppe, der Orenburger Gegend ein Dorf an, das sie „Wifanija“, zu Deutsch Bethanien nannten. Aus diesem Ort, das heute nicht mehr existiert, kam der Ortsverwaltungsvorsteher, sein Großvater war dort sogar Prediger. Er konnte sich noch erinnern, dass die Deutschen mit Akkordeon zu Besuch kamen, und im Gottesdienst gesungen und gespielt haben. Balykin gab Anweisung an seine Vertreterin (die mich auf dem Meeting unterbrach), das Buch von David ins Stadtarchiv zu bringen und ein zweites in die Bibliothek. Anschließend ging er mit ihnen ins „Allerheiligste“, einem exklusiven Apartment hinter seinem offiziellen Büro, und deckte für sie einen Tisch. Von so viel Freundlichkeit waren sie total überwältigt. Es ergab sich ein gutes Gespräch. Sie kamen auch auf dem gebürtigen Plattdeutschen aus der Neu-Samarischen Siedlung, Genosse Martyn Martynowitsch Penner zu sprechen, der damals in der Bauphase des Bethauses erster Sekretär der kommunistischen Partei in der Kreisverwaltung war. Dieser Mann verlor damals seinen Posten, seine Position, weil die Susanower den Bau mit Gottes Hilfe doch durchführen konnten. Balykin schlug vor, David Dick hier und jetzt sich telefonisch in Verbindung mit diesem Mann zu setzen. Es klappte tatsächlich. Als David ihn fragte, ob er sich noch erinnert an die Zeit damals, und an ihn persönlich, erinnerte sich der pensionierte Parteifunktionär noch tatsächlich an David, an seinem vollen Vor- und Nachnamen. David sprach ihm sein Bedauern aus, dass er damals so viel Unannehmlichkeiten wegen der Susanower hinnehmen musste. Er winkte nur ab, es ist so lange her und es hat keinen Zweck darüber zu reden.
Nachmittag überreichte David Dick in der Schule, in Gegenwart des Lehrerkollegiums und der Direktorin E. I. Pacharj, das Model einer mennonitischen Droschke an das Museum in Susanowo. Dieses Geschenk wurde dankbarentgegen genommen.
Mit Gottes Hilfe haben wir so gut es ging in unserer alten Heimat Spuren hinterlassen. Ihm sei Dank dafür. Der Herr ist, der alles gedeihen lässt, Er ist der Segnende.

Zum Schluss
„Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre…“ Ps. 115,1 Sinngemäß begleitete dieser Vers uns als Leitmotiv die ganze Zeit. Wir haben mit Gott geplant, mit Ihm sind wir losgeflogen, mit Ihm haben wir so gut es ging, dort in der kleinen Heimat, wie die Russen sagen, von Gott gezeugt. Mit Ihm wollen wir auch weiter unseren Weg gehen. Nicht alle, die losfuhren, kamen wieder zu Hause an. Gottes Wege sind höher als die unsrigen. Er ist Herr über Leben und Tod. Unser Leben und unsere Zeit stehen in seinen Händen. So ist es gut, so soll es bleiben.

Johann Kehler, 17.08.2011, Porta Westfalica