Erinnerung von Susanne Peters

Susanne hat ihrem Enkel und den Kindern über sich folgendes erzählt:
Ich wurde am 08.08.1939 in Pokrowka im Gebiet Orenburg als siebtes von insgesamt 8 Kindern von Susanne und Johann Rempel geboren. Im Alter von 2 Jahren wurde mein Vater in die Trudarmee eingezogen, ich kann mich nicht an ihn erinnern. Aufgrund der Unsicherheit des Krieges und unserer Nähe zur Bahnlinie schlug mein Vater in einem Brief vor, dass wir zu der Familie meiner Mutter ziehen sollten. Daher entschieden wir uns im Jahr 1942 nach Nikolaewka in das Dorf Nummer 6 zu ziehen, zu meiner Oma und den Geschwistern meiner Mutter. Meine Mutter wurde nicht in die Trudarmee eingezogen, da meine jüngste Schwester Helene noch nicht einmal ein Jahr alt war.

In der Kolchose musste meine Mutter unermüdlich von früh bis spät hart arbeiten und alles geben, was sie konnte. Dennoch litten wir während des Krieges unter starkem Hunger. Im Verlauf des Krieges verlor unser Vater sein Leben durch übermäßige Arbeit und Hunger, er kehrte nicht zurück. Als meine Brüder Johann und David im Alter von 15 und 16 Jahren in die Trudarmee eingezogen wurden, bedeutete das weiteres Leid für unsere Familie. David verstarb an Hunger und Kälte während seiner Dienstzeit. Johann wurde in eine andere Stadt versetzt, wo die Arbeitsbedingungen etwas erträglicher waren, er überlebte. In dieser Zeit blieb meine Mutter mit vier Kindern allein und der Hunger begleitete uns ständig.

Der Bruder meiner Mutter, Onkel Kornelius Keller, hatte die Position des Vorstehers der Kolchose in Susanowo und bot unserer Familie an, dorthin zu ziehen. So machten wir uns mit zwei Ochsen auf den Weg, wanderten zwei Tage lang 60 km von Nummer 6 nach Susanowo. Auf halber Strecke klopften wir bei den Russen an und baten um Unterschlupf für die Nacht. Die Gastfreundschaft der Menschen war überwältigend und sie empfingen uns herzlich.

Nach der Ankunft in Susanowo ließ uns Onkel Kornelius Keller keine Stunde länger hungern. Er versorgte uns großzügig mit Brot und Milch, um sicherzustellen, dass wir satt wurden. Im Verlauf des kommenden Sommers baute er für uns ein kleines Häuschen, in dem wir einige Jahre wohnen konnten. Mit 8 Jahren begann ich in Susanowo zur Schule zu gehen und mit 16 Jahren schloss ich schließlich die siebte Klasse ab.

Im Jahr 1956 wurden die Weichen für mein weiteres Leben gestellt. In der Kolchose genossen wir die Freiheit an Gottesdiensten teilzunehmen. Aufgrund meiner Begeisterung für Musik und Gesang war ich aktiv dabei und habe dies mit großer Freude praktiziert. In einem Gottesdienst im Jahr 1956 stand ich auf und sagte, dass ich mich bekehren möchte. Im darauf folgenden Sommer habe ich mich taufen lassen und Jakob Keller, einer der Gemeindegründer von Susanowo, führte die Taufe durch.

Diese Zeit war für mich von besonderer Schönheit geprägt, das Leben in der Gemeinde erfüllte mich und machte mich glücklich. Der Himmel schien so nahe! An einem Sommerabend kehrte ich mit einer Nachbarin nach Hause zurück, als uns zwei Jungs nachliefen. Einer von ihnen war Gerhard Peters. Am Anfang fragte er mich, ob wir nicht Freunde sein könnten. Wir wurden in dieser Zeit nicht nur Freunde, sondern verbrachten auch unsere freie Zeit gemeinsam. Gerhard lebte damals in Orenburg, wo er eine Ausbildung zum Elektriker absolvierte. Er kam nur selten nach Hause. Als ich 17 Jahre alt war, begann ich meine Arbeit in der Kolchose als Melkerin. Während dieser Zeit wurde Gerhard in die Armee eingezogen und war für 10 Monate weg. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1957 heirateten wir ein Jahr später.

Die Freiheit, Gottesdienste zu besuchen, wurde zunehmend erweitert. Wir haben dies mit Freude wahrgenommen und es als unsere Aufgabe gesehen, uns für die jungen Menschen in der Gemeinde zu engagieren. In dieser Zeit haben wir einen Jugendchor ins Leben gerufen, was uns als Ehepaar große Freude bereitete.

Der Herr hat uns das Geschenk von 8 Kindern gemacht, jedes einzelne war wirklich ein Segen. Dies wurde mir in den letzten Jahren besonders deutlich und ich empfand mein größtes Glück, wenn alle Kinder mit ihren Familien zusammen waren und wir als Großfamilie vereint waren.

Ein einschneidendes Erlebnis war im Jahr 1986 der tragische Verlust unseres Sohnes Andrej, der im Alter von 7 Jahren im Fluss ertrank. „Von der Erde reiß mich los, mache meinen Glauben groß.“, war mein Gebet in dieser schweren Zeit. Der starke Zusammenhalt in unserer Familie half dabei, diese schmerzhafte Wunde zu akzeptieren. Auch meine liebe Schwester Maria bot mir stets ihre Schulter an. Über all die Jahre meines Erwachsenenlebens war sie meine beste Freundin, meine Unterstützung in schwierigen Zeiten und eine verlässliche Gebetspartnerin.

Im Dezember 1988 trafen wir die schwierige Entscheidung, nach Deutschland auszuwandern. Dies stellte eine Zerreißprobe dar, da Johann mit seiner Familie sowie Maria und Viktor vorerst zurückblieben. Mit viel Einsatz und Gebet gelang es uns schließlich im Jahr 1994, die Familie wieder zu vereinen, als auch Viktor mit seiner Familie ausreisen konnte.

Nachdem wir 1999 das Rentenalter erreicht hatten, wurden die Kinder und Enkelkinder zu unserem neuen Mittelpunkt. Sie besuchten uns gerne, und unser Zuhause war erfüllt von ihrer Liebe.

Im Jahr 2019 erlitt mein Mann einen schweren Schlaganfall und benötigte aufwendige Pflege, die die Pflegeeinrichtung Haus Tabor übernahm. Im Jahr 2021 konnte ich im selben Gebäude eine Wohnung mieten, was es uns ermöglichte, wieder viel Zeit miteinander zu verbringen. Ich unterstützte ihn beim Essen, nahm ihn mit dem Rollstuhl mit in meine Wohnung oder auf die Terrasse und er genoss es bis zum Schluss, wenn ich ihm auf dem Flügel oder dem Klavier vorspielte. Wir sind sehr dankbar für diese kostbare Zeit.

Seit dem Sommer 2023, als ihr Mann verstarb, musste Susanne Peters aufgrund eingeschränkter Herztätigkeit wiederholt ins Krankenhaus. Mit bewundernswerter Stärke kämpfte sie gegen die gesundheitlichen Herausforderungen an. In den letzten Wochen sagte sie: „Ich will nicht sterben, es geht mir so gut mit euch.“ Ihre Aufgabe, für ihre Kinder zu beten, empfand sie als noch nicht erfüllt und ihre Frage lautete: „Wer wird für meine Kinder beten?“ Trotzdem hat der himmlische Vater sie nach einer sehr schweren Zeit des Abschieds zu sich genommen. Susanne Peters ist am 17. Februar im Alter von 84 Jahren, 6 Monaten und 9 Tagen heimgegangen. Sie hinterlässt sieben Kinder mit ihren Familien in tiefer Trauer.

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